Mit dem Tod des südafrikanischen Desmond Tutu war es bei mir wieder präsent: Im Mai 1995 flog ich, gefördert durch das Stipendium der südafrikanischen, chemischen Gesellschaft, in das Land des Umbruchs. Noch heute ist mir der Flug in guter Erinnerung. Das Reisebüro vermittelte mir eine Verbindung von Frankfurt mit Air Portugal über Lissabon als günstigste Option. Vorher hatte ich den südafrikanischen Chemie Professor Simon Lotz über eine interessante Publikation in der Angewandten Chemie kennengelernt. Simon war Marathon Läufer wie ich. Die Chemie stimmte zwischen uns beiden im Labor und bei den zahlreichen 10ern und Halbmarathons. Die Laufszene der Zeit damals in Afrika war durch die Isolation der Apartheit geprägt. Für viele, gerade weiße Südafrikaner, war es ein Bestandteil des Lebens, an Läufen zwischen 10 und 100 Kilometern teilzunehmen. Ich sollte Bestandteil dieser Szene werden. Ein sportliches Highlight der Zeit: Von City zu City, von Johannesburg nach Pretoria, über 50 Kilometer. Ich war der erste, der das mit ihm machte. Mit meinem Laborjournal und meiner Laufleidenschaft hat er viele Studenten nach mir motiviert. Doch zurück zur Anreise:
Ich war in freudiger Aufregung. Meine erste Stelle in einem Land im Umbruch, einem Land das durch die Nachrichten ging, einem Land, in dem Läufer Volkshelden sind. In Deutschland war der Arbeitsmarkt für Chemiker so gut wie tot nach allen den Mühen des Chemiestudiums. Endlich eine Chance und die am Kap der guten Hoffnung! Nomen est Omen.
In Lissabon unterhielt ich mich lange mit einer Niederländerin über eine bei ihr zerbrochene Beziehung und ich erzählte von meinen Plänen. Schöne Gespräche zwischen Niederländern und Deutschen waren in dieser Zeit noch nicht Selbstverständliches. Sie spiegelte mich als netten Menschen. Das beruhigte mich, denn es war mein erstes,
großes, internationales Erlebnis, welches gleich ein Jahr dauern sollte. In einem großen Samsonite-Koffer waren meine Sachen für ein Jahr gepackt: Zwei Hosen, zwei Hemden, ein Pullover, ein Jackett, die wertvollen T-Shirts des Berlin-Marathons, das berühmte Buch meines Doktorvaters und 1000 DM als Reserve.
Dann im Flugzeug von Lissabon nach Johannesburg: Es war eine bunte Mischung unterschiedlicher Menschen. Nach einigen Stunden Flug kam es zur Zwischenlandung im westafrikanischen Zaire: Passagiere stiegen ein und aus. Der Flugplatz zeigte ein abenteuerliches Bild. Ich erinnere mich an einen Hangar aus Blech und das afrikanischen Leben neben der Rollbahn. Frauen trugen Waren auf ihrem Kopf durch hohes Gras.
In Zaire war gerade das Ebola Virus ausgebrochen, nicht ungefährlich. Ein Flughafenmitarbeiter ging durchs Flugzeug und spritzte mit Desinfektionsmittel dagegen an, das war alles.
Auf dem Flug zeichnete ich eine Karte Afrikas und markierte den Punkt, an dem sich unser Flugzeug befand. Die Zeichnung sollte per Brief nach Hause gehen.
Dann der Landeanflug auf Johannesburg. Noch hieß der Flughafen „Jan Smuts“ nach einem ehemaligen, südafrikanischen Premierminister, der für Rassentrennungsgesetze verantwortlich war.
Nachdem ich meinen Koffer zurückerhalten hatte und die Passkontrolle hinter mir lag, traf ich auf Simon. Seine Begrüßungsworte lauteten : „Wie geht’s?“. Simon hatte zweimal in Deutschland für ein Jahr gearbeitet und war dadurch sehr Deutschlandaffin. Als wir uns kennenlernten, war Simon Anfang 40 und mit seiner sportlichen Erscheinung so drastisch anders zu meiner, die durch die Studienzeit an der Philipps Universität in Marburg mit seinen herausragenden Forscherpersönlichkeiten auf Internationalem Spitzenniveau geprägt war. Südafrikanische Gastfreundschaft und Herzlichkeit pur. Von Johannesburg aus fuhren wir nach Pretoria auch vorbei an der Kirche in der Desmond Tutu predigte. Darauf machte mich Simon aufmerksam. Tutu war einer der besonders herausragenden Köpfe im Kampf gegen die Apartheit. Er prägte die wunderbare Vorstellung von der Rainbow Nation.
Meine Reise sollte weiter gehen, von Zeit zu Zeit mehr…
Autor: Dr. Thomas Isenburg, Wissenschaftsjournalist
Marathon 3:03, 1000 Meter 2:45
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